Nach 25 Jahren bei den Rosenheim-Cops: Marisa Burger hört auf

Dieses verlässliche Rosenheim-Cops-Universum wurde nun erschüttert: Marisa Burger, die Darstellerin der quirligen, tratschfreudigen Miriam Stockl, hat ihren Ausstieg angekündigt. Stockl ist nicht nur die Sekretärin, sondern auch die Seele der Serie, eine Säule, vielleicht sogar der Mittelpunkt. Am 17. Oktober wird sie ihren letzten Drehtag haben, die letzte Staffel mit ihr wird im nächsten Jahr ausgestrahlt. Für Stockl wechselt Christin Lange (Sarah Thonig) von der Information des Polizeipräsidiums ins Sekretariat. Marisa Burger lebt in München und im Salzburger Land, wo ihr Mann vorwiegend wohnt. Für das Interview wählte sie das Café Emma in der Maxvorstadt.

SZ: Frau Burger, warum hören Sie auf?

Marisa Burger: Ich finde, 25 ist eine schöne Zahl. Und es war ja nicht so, dass ich einen Albtraum oder schlecht geschlafen hatte und dann spontan beschloss, aufzuhören. Es war ein Prozess, der sich über Jahre entwickelt hat. Ich habe jetzt noch die Kraft, andere Dinge in die Hand zu nehmen und möchte mich selber noch mal ausprobieren, in einer neuen Rolle vielleicht, oder in einem neuen Projekt. Ich habe dieser Figur 25 Jahre wirklich ganz, ganz tolles Leben eingehaucht, und sowohl Marisa Burger als auch Miriam Stockl haben sich einen Paradigmenwechsel verdient. Ich wollte das jetzt so stehen lassen und mit Würde beenden. Ich möchte nicht, dass gesagt wird: Ist die immer noch da?! Wir Frauen leben ja immer noch mit dem „Klammer auf 52, Klammer zu“ (Marisa Burger ist 52 Jahre alt, Anm. d. Red.), und dadurch wird man ja auch immer bewertet.

Das wäre doch in, sagen wir, fünf Jahren auch noch möglich gewesen. Man sieht bei Ihnen beziehungsweise Ihrer Rolle keine Abnutzungserscheinungen.

Ich möchte die Serie jetzt verlassen und alles in toller Erinnerung haben. Die Drehzeiten werden wie überall immer kürzer, das Pensum ist wahnsinnig hoch. Es ist eine paradoxe Branche: Bei den Rosenheim-Cops gibt es trotz großen Erfolgs und sehr guter Einschaltquoten de facto Gagenkürzungen, weil etwa kein Inflationsausgleich über die Jahrzehnte berücksichtigt wurde. Aber das sind Dinge, die letztendlich nicht ausschlaggebend waren. Du musst, wenn du etwas beenden möchtest, bei dir anfangen: Was will ich noch? Ich war sehr eingespannt in dem Leben, das ich für die Rosenheim-Cops gelebt habe, was Drehpläne betrifft, was meine Freizeit betrifft, was andere Projekte betrifft. Das war schon auch sehr einengend und ich habe gemerkt, dass ich ein Freigeist bin und diesen Freigeist möchte ich noch einmal leben. Man muss manchmal Komfortzonen verlassen, um sich selber noch mal neu zu richten. Es geht mir gut damit, und das ist ein schönes Gefühl.

Sie sagten, es sei ein jahrelanger Prozess gewesen, ehe Sie den Entschluss fassten. Was ist in dieser Zeit passiert?

Ich habe gemerkt, wie viel Spaß es mir gemacht hat, mein Buch zu schreiben („Vergiss nie, wie dein Herz am Anfang war“, Anm. d. Red.) und damit mit meinem Musiker Martin Halmich auf Lesereise zu gehen; auf der Bühne zu stehen, im Kopf kreativ zu werden und was Neues entstehen zu lassen. Wenn man eine Figur wie Miriam Stockl spielt, die natürlich viel Raum einnimmt, bleibt so wenig Platz für andere kreative Gedanken. Ich muss mal wieder raus, was anderes einatmen, was anderes spüren. Anders blühen, sage ich mal. Ich wollte nicht bei den Rosenheim-Cops weitermachen, weil ich es anderen recht machen wollte, weil ich gesehen werden wollte, sondern es ging darum: Wer bin ich, was möchte ich? Das war eine spannende, aber auch sehr harte Auseinandersetzung mit mir selbst. Das hat drei Jahre gedauert und viele Nächte gekostet.

Obwohl Sie jetzt so klar sind, fällt der Abschied sicher nicht leicht. Mit welchen Gefühlen denken Sie an Ihren letzten Drehtag am 17. Oktober? 

Das Schlimme war schon das Drehbuchlesen. In den letzten Folgen bespielen wir ja meinen Abschied …

… ich weiß, dass Sie in der Serie nicht sterben werden, aber mehr wird nicht gespoilert.

(lacht) Ich musste trotzdem beim Drehbuchlesen schon ganz furchtbar heulen. Ich habe ja mit vielen Kolleginnen und Kollegen 20 Jahre und mehr gearbeitet – diese Menschen zu verlassen, zu sagen: Tschüss, das war’s jetzt, das ist etwas sehr, sehr Emotionales, denn es war eine großartige Zeit. Vom Kopf her bin ich klar, doch die Gefühle kann man nicht steuern. Ich habe schon gesagt, ihr müsst mir wasserfeste Wimperntusche besorgen, wenn ich da einen nach dem anderen verabschiede. Es ist schon eine sehr innige Bindung. Das Besondere an unserer Serie war und ist, dass wir menschlich sehr gut miteinander ausgekommen sind, und dass andere Kollegen, die nur kurz bei uns waren, immer gesagt haben: Bei den Rosenheim-Cops wird man gut aufgenommen.

Es gab, auch im Netz, sehr viele Reaktionen auf Ihre Ankündigung, die Rosenheim-Cops zu verlassen. Gab es welche, die Sie besonders berührt haben?

Ich habe bei meinem Instagram-Account glücklicherweise wenige Hater. Manchmal ploppt etwas auf von Männern, die etwas gegen Frauen haben, die taff im Leben stehen. Aber letzten Endes ist es schon so, dass viele Leute sich traurig geäußert haben, aber auch mit  Verständnis – und das hat mich total gewundert. Viele haben gesagt: Es ist verständlich, dass man nach 25 Jahren etwas anderes machen will. Es war schön, dass mir die Leute das gönnen. Da blitzte auch eine Feinheit durch.

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Und was werden Sie jetzt tun?

Ich baue gerade mit einer meiner besten Freundinnen, mit Solveig Duda …

… der Schwester von Alexander Duda, der bei den Rosenheim-Cops den Polizeidirektor Achtziger spielt.

Genau. Mit Solveig, die Synchronsprecherin und -regisseurin ist, baue ich gerade einen Podcast auf, der am 17. September erstmals zu hören sein wird. Es wird um Theater, Bücher, Kinos und Filme in München gehen. Aus der Sicht von Frauen, die in unserem Alter sind. Und es wird sich auch um Restaurants drehen. Wir sind ja keine 20 mehr, die bis um drei Uhr in Clubs gehen. Aber wir sind lebendige und kreative Frauen. Wir möchten Menschen dazu animieren, dass sie wieder mehr Lust auf Theater und Kultur bekommen.

Geht es auch um den Inhalt der Stücke?

Ja, darüber reden wir auch. Und auch über die Schauspieler, aber im positiven Sinne. Wir leben ja in einer Branche, in der es heißt: So lange man funktioniert … Apropos, mit Verlaub: Das ZDF hat sich bis jetzt noch nicht zu meinem Abschied geäußert. Das ist auch ein Statement unserer Branche, was Wertschätzung betrifft. Deshalb geht es in unserem Podcast auch um Wertschätzung den Kollegen und den Regisseuren gegenüber.

Wie wird der Podcast heißen?

Abendkasse – Kultur in der Clutch.

Das ist also ein Standbein. Was werden Sie sonst noch machen? Sie arbeiten ja als Schauspielerin weiter?

Klar, das Schauspielen ist ja meine große Leidenschaft. Es gibt Projekte, die gerade besprochen werden. Aber über ungelegte Eier möchte ich noch nicht reden.

Wo wir wieder bei der Schauspielerei sind: Ich wollte Sie eigentlich fragen, wie sich die Miriam Stockl in 25 Jahren verändert hat. Aber ich glaube, es ist jetzt, nachdem Sie die Rolle hinter sich lassen, noch interessanter, wenn ich Sie frage: Wie haben Sie, Marisa Burger, sich als Schauspielerin in 25 Jahren verändert?

Am Anfang war ich sehr darauf erpicht, alles zeigen zu wollen. Ich war wie ein Wasserkessel unter Druck: schschschsch – ich muss, ich muss, ich muss, ich muss, ich muss. Ich bin schon fast mit einer Aggressivität auf die Leute zu unter dem Motto: Hier, nimm mich, und wenn du mich nicht nimmst, dann wirst du schon sehen, was du davon hast! Was ich über die Jahre gelernt habe, ist, dass ich auch aus einer Ruhe heraus arbeiten kann, aus einer Gelassenheit heraus. Und was ich auch gelernt habe, ist, dass ich ein unheimliches Textverständnis für manche Dinge habe – der erste Impuls, den ich manchmal habe, ist meistens schon der richtige. Ich kann jetzt generell Dinge besser genießen, ich bin stabiler oder vielleicht souveräner geworden. Auch weicher. Ich habe nicht mehr den Dampf drauf, wo die anderen denken: Hilfe …  (lacht) … was will die von mir? Was aber immer geblieben ist: Die große Freude, sich mit Dingen auseinanderzusetzen. Mit Dingen zu spielen. Ich liebe die Sprache, die Textproben, wenn etwas entsteht. Diesen Raum hatten wir bei den Rosenheim-Cops, trotz der Kürzungen der Drehtage. Das lag auch daran, dass wir viele Schauspieler und Schauspielerinnen hatten, die vom Theater kommen. Da ist eine große Textliebe und Liebe für Details und Genauigkeit. Und, was ich auch noch sagen will …

Ja?

Ich freue mich sehr, dass nicht nur eine Zielgruppe von 40 plus die Rosenheim-Cops guckt, sondern mittlerweile auch ganz viele junge Leute, die sagen: Ich habe das damals mit der Oma geschaut. Und wir haben Fans durch alle Berufsgruppen, vom Verkäufer bis zum Akademiker. Ich war mal in Basel bei einer Bruce-Nauman-Ausstellung. Da haben sich viele Künstler als Rosenheim-Cops-Fans geoutet, etwa eine Künstlergruppe aus Amerika. Sie gucken das, weil sie ursprünglich aus Düsseldorf sind, und sie haben gesagt: „It’s a series deeply from the heart.“